Rede von Martin Pfister an der Parteiversammlung vom 31. Oktober 2016

Liebe Genossinnen und Genossen
Liebe Parteifreundinnen und Parteifreunde

«Appenzell diskutiert». Mit diesem Aufruf starten wir unser neues Forum. Es soll viermal im Jahr die breite Bevölkerung über gesellschaftlich wichtige Themen informieren und brennende Fragen zur Diskussion stellen. Etwas, das in unserem Kanton zu kurz kommt – in einem Kanton, in dem es meisterhaft verstanden wird, zu schweigen und brisante Themen unter den Teppich zu kehren. In einem Kanton, in dem selbst die Provokation der Installation eines Halbmondes auf dem Gipfel der «Freiheit» nicht die vom Künstler erhoffte Wertedebatte über Gipfelkreuze auslöste, leisten wir einen Beitrag zu offenen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen.

Wir wollen mit dieser neuen Diskussionsplattform Menschen herausfordern und zur Teilnahme gewinnen. Denn, liebe Genossinnen und Genossen: Demokratie ist ein gemeinsamer Lernprozess, dessen Qualität mit jeder und jedem wächst, der sich einbringt. Je mehr Menschen sich politisch engagieren, umso bessere Lösungen finden wir für unsere Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft. Wir möchten mit «Appenzell diskutiert» auch Leute an unserer politischen Arbeit interessieren und erhoffen uns neue SP-Mitglied und SymathisantInnen.

Die erste Veranstaltung zu den mächtigen und intransparenten Finanzmärkten – ihren Funktionsstörungen und möglichen Lösungsansätzen – findet am 24. November statt. Am 6. Februar 2017 stellen wir die Demokratie in Innerrhoden auf den Prüfstand.

Mit dem Workshop an unserer heutigen Parteiversammlung setzen wir uns mit einer in Innerrhoden tief verankerten Institution – mit der Landsgemeinde – auseinander. Wie sieht die Landsgemeinde im Jahre 2030 aus? Besteht dann diese Urform der Demokratie noch oder ist sie durch Wahlen und Abstimmungen für alle statt für wenige an der Urne ersetzt? Mit solchen Fragestellungen setzen wir uns heute auseinander. Damit zeigen wir, liebe Genossinnen und Genossen: Die SP stellt sich auch offen und ohne Scheuklappen den hoch gehaltenen Traditionen im konservativen Land am Alpstein. Ja, wir sind überzeugt, dass Traditionen nur dann weiter leben, wenn sie regelmässig hinterfragt, mit den Anforderungen des aktuellen Zeitgeistes konfrontiert und weiter entwickelt werden.

Liebe Genossinnen und Genossen
«Die SP ist die Kraft, welche für die Interessen der Gesamtbevölkerung einsteht. Wir verteidigen ein Alter in Würde mit guten Renten und einer starken AHV für alle. Wir wollen allen Menschen gleiche Chancen bieten – unabhängig von ihrem Portemonnaie oder ihrer Herkunft. Wir kämpfen dafür, dass alle einen Beitrag an die Gemeinschaft leisten und nicht auf Kosten von allen Privilegien an Mächtige und Vermögende verteilt werden. Wir wollen, dass wir unseren Nachkommen eine Umwelt mit intakten Lebensgrundlagen übergeben können. Wir kämpfen für Demokratie und Mitbestimmung in sämtlichen Lebensbereichen.» So beginnt der Aufruf unserer Partei zur Unbequemlichkeit – im Sinne der Gesamtbevölkerung. Er ist auch an der heutigen Parteiversammlung unser Kompass für unsere Politik für alle statt für wenige.

Deshalb unterstützen wir einen geordneten Ausstieg aus der Atomenergie und bekämpfen mit der Unternehmenssteuerreform III einen der grössten «Steuerbschiss» mit Milliardengeschenke an Grosskonzerne auf dem Buckel des Mittelstandes – auf Kosten der breiten Bevölkerung.

Dieser politische Kompass regt auch unseren Widerstand gegen den mutlosen, rückwärtsgewandten Entscheid des Grossen Rats zum Elternurlaub. Der für Innerrhoden visionäre Entwurf der Standeskommission mit einer Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs um zwei auf 16 Wochen und neu einem zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub hat der vom Gewerbeverband dominierte Grosse Rat auf nur noch 14 Wochen Mutterschafts- und eine Woche Vaterschaftsurlaub zurückgestutzt. Dieser Entscheid nimmt wenig Rücksicht auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen, dass sich Väter immer aktiver an der Kinderbetreuung beteiligen. Wir haben heute dazu eine Medienmitteilung mit dem Hinweis auf eine nationale Initiative eines überparteilichen Komitees für zwanzig Tage bezahlten Vaterschaftsurlaub veröffentlicht.

Liebe Genossinnen und Genossen
Ihr seht: Unser Schwimmen gegen den konservativen Innerrhoder Mainstream ist wichtig. In diesem Sinne wünsche ich uns heute Abend konstruktive Debatten und Weg weisende Entscheidungen.

Ich danke euch für eure Unterstützung und eure Aufmerksamkeit.

05. Dez 2016