Das Wichtigste gerade vorweg: Es ist eine wichtige Aufgabe, Kinder und Jugendliche vor Gewalt jeglicher Art zu schützen. Missbrauch bedeutet für die Opfer und ihre Angehörigen grosses Leid. Nach bisherigem Recht ist es jedoch nur beschränkt möglich, einem Täter Begegnungen mit seinem Opfer zu verbieten oder zu verhindern, dass er mit möglichen weiteren Opfern Kontakt aufnehmen kann.
Mangelhafte und unnötige Initiative
Die Initiative, über die wir am 18.Mai abstimmen, fordert, dass Personen, die verurteilt werden, weil sie die sexuelle Unversehrtheit eines Kindes oder einer abhängigen Person beeinträchtigt haben, für immer verboten wird, eine berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit mit Minderjährigen oder Abhängigen auszuüben. Diese Initiative weist jedoch erhebliche Mängel auf. Sie geht zu wenig weit, weil sie ausschliesslich die sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche erfasst. Zudem ist sie unverhältnismässig, weil sie auch reihenweise Falsche trifft. Wenn beispielsweise ein 20-Jähriger eine einvernehmliche Beziehung mit einer 15-Jährigen unterhält, müsste ihm gemäss Initiative lebenslang verboten werden, eine Tätigkeit als Juniorentrainer oder Primarlehrer auszuüben. Sie fordert undifferenziert bei Menschen, die gar nicht pädophil sind, ein lebenslanges Berufsverbot.
Massgeschneidertes und umfassendes Gesetz
Differenzierungen geraten im Strafrecht zusehends ausser Acht. Schon bei der Ausschaffungs-, Verwahrungs-, wie auch bei der Durchsetzungs-Initiative und nun auch wieder bei dieser Pädophilen-Initiative werden rigorose Strafen, die automatisch und ausnahmslos zu verhängen sind, gefordert. Der Bevölkerung wird mit populistischen Scheinlösungen Sand in die Augen gestreut und die Richter als dritte Staatsgewalt werden zu blossen Vollzugsbeamten degradiert. Der kommende Abstimmungssonntag bietet die Chance, mit der Ablehnung dieser Initiative diesen bedenklichen Trend zu stoppen und ein deutliches Zeichen für unseren Rechtsstaat zu setzen.
Dies fällt umso leichter, als das Parlament mit dem Gesetz, welches anfangs 2015 in Kraft tritt, ein massgeschneidertes Gegenprojekt erarbeitet hat, welches der Verhältnismässigkeit Rechnung trägt, umfassender ist und auch präventiv wirkt. Denn die meisten Übergriffe auf Kinder und Jugendliche finden im Privaten statt. Im Unterschied zur Initiative können mit diesem Gesetz auch Gewalttaten im familiären Umfeld oder im engsten privaten Umkreis von Kindern und Jugendlichen mit wirksamen Massnahmen begegnet werden. Mit Kontakt- oder Rayonverboten kann von einem Täter verlangt werden, dass er sich einem Kind in der Schule oder auf dem Spielplatz nicht mehr nähern darf. Zudem ermöglicht dieses Gesetz, falls nötig, auch lebenslange Tätigkeitsverbote. So bleibt dem Gericht bei der Beurteilung des Einzelfalls auch der nötige Ermessenspielraum.
Die SP AI steht ein für einen umfassenden Kindes- und Jugendschutz wie auch für die Verhältnismässigkeit als rechtsstaatliches Prinzip. Deshalb lehnt sie diese populistische und unvollständige Initiative einstimmig ab.