Rede an der Parteiversammlung vom 28. Januar 2016

Liebe Genossinnen und Genossen
liebe Parteifreundinnen und Parteifreunde

Willkommen zur ersten Parteiversammlung im Jahre 2016. Viele Begegnungen und Reaktionen spornen uns an, unsere Politik für eine offene, soziale und ökologische Schweiz weiterzuführen. Mit unserer Dreikönigsaktion auf der Strasse „Bei uns ist jede Königin und jeder König“, haben wir bei der Innerrhoder Bevölkerung signalisiert, auch in diesem Jahr eine Politik für die ganze Bevölkerung statt nur für ein paar wenige zu machen.

Die grössten Flüchtlingsbewegungen seit dem Zweiten Weltkrieg und Terroranschläge, die im vergangenen Jahr Europa erschütterten, bestärken die Notwendigkeit unserer Politik. Es ist nicht verwunderlich, dass Menschen – weder mit Auf- noch Abstiegschancen – im zerbombten Syrien oder im hungerleidenden Afrika ihre «Reise der Hoffnung» zu uns nach Europa antreten. Es erstaunt auch nicht, dass extremistische Ideologien bei den Verlierern der Globalisierung auf fruchtbaren Boden fallen. Auf jenen Boden, den wir aus wohlhabenden Staaten eigenhändig düngen. Denn unser Wohlstand basiert auch auf der Ausbeutung von Menschen im Schatten der Welt. Die Bündelung des Potentials an Verzweiflung war nur noch eine Frage der Zeit.

Doch im Sturm der Entrüstung um Flüchtlinge und Terror scheinen solche Tatsachen nebensächlich zu werden. Vielleicht weil wir die heutige Wirtschaftsordnung hinterfragen müssten, die in beispielloser Art eine kleine Schicht von Leuten – die Besitzer grosser Kapitalvermögen – bevorzugt. Dies zeigt sich einmal mehr deutlich im Abstimmungskampf gegen die Nahrungsmittelspekulation – gegen eine der widerlichsten Formen von Bereicherung auf Kosten der Ärmsten – im Kampf gegen den Welthunger.

Spekulanten im Casino der Finanzmärkte preisen den liberalen Markt als Allerheilsmittel und profitieren von seinen Irrtümern. Hedgefonds und andere Grossspekulanten kaufen und verkaufen wage Werte auf Computerbildschirmen im Mikrosekundentakt und wetten auf Preissprünge – ohne dass sie real mit Weizen, Mais oder Reis handeln. Die total entfesselte Gewinnmaximierung ist ihre Strategie. Wer richtig wettet, verdient sich eine goldene Nase. Nahrungsmittelpreise schnellen in die Höhe und in armen Ländern verhungern Menschen.

Die Vertreter der neoliberalen Lehre verteidigen den freien Markt ohne Rücksicht auf das Schicksal der Menschen, die darunter leiden. Am Abstimmungspodium vom vergangenen Montag in Appenzell zeigte der Initiativgegner des Schweizerischen Gewerbeverbandes sein wahres Gesicht. Vorerst verteidigte er die Spekulation ohne realen Bezug zu Sojabohnen, Mais oder Reis als Markt erhaltend und notwendig für den Handel von Agrarrohstoffen – als ob genau dieser Handel vor der Liberalisierung der Finanzmärkte nicht funktioniert hätte. Erst auf Nachfrage bestätigte er den wahren Grund dieser Spekulation: die möglichst hohe Rendite für die Spekulanten!

Genossinnen und Genossen
Welches sind die Werte einer Gesellschaft, die den Wetten auf Hunger freien Lauf lässt? Wie können wir ruhig weiterleben, obwohl wir wissen, dass diese Dinge geschehen? Es zeigt sich einmal mehr die Spaltung zwischen „uns“ und „den andern“ – zwischen denen, die haben und denen, die nichts haben – zwischen denen, die haben, weshalb andere nichts haben und denen, die andernfalls sehr wohl etwas hätten. Dies regt unseren Widerspruch.

Die nationalen Wahlen haben im vergangenen Herbst die Gewichte im Parlament deutlich nach rechts verschoben. Eine Politik der Abschottung und fehlende Solidarität sind die wahrscheinlichsten Szenarien.

Die Schweiz mit seiner humanitären Tradition kann mehr. Unsere Antwort ist eine gerechtere Verteilung von Vermögen und Lebenschancen in einer demokratischen Gesellschaft, die allen Perspektiven, Chancen und Hoffnung bietet. Diese Politik wollen wir zu den Menschen bringen. Wir werden weiterhin auf der Strasse mit Aktionen präsent sein. Zudem setzen wir in unserem Kanton einen neuen Schwerpunkt. Wir wollen als Partei unseren Bildungsauftrag ausbauen. Dazu hat sich die Parteileitung an ihrer Retraite vor einer Woche bekannt. Dazu werdet ihr in nächster Zeit mehr erfahren und dazu wollen wir an unserem Parteitag im Sommer gemeinsam konkrete Schritte unternehmen.

Ein erstes Zeichen setzen wir mit unserer 1. Mai-Aktion. Wir planen, mit dem „Lohnmobil“ die in der Verfassung längst geforderte und immer noch nicht flächendeckend umgesetzte Lohngleichheit zwischen Mann und Frau zu thematisieren und die Innerrhoder Bevölkerung darüber zu informieren.

Liebe Genossinnen und Genossen
Auch in diesem Jahr machen wir wieder Politik für alle statt nur für wenige. Dieser anspruchsvolle Weg ist immer auch eine Gratwanderung und von Zweifeln und offenbleibenden Fragen geprägt. Wir setzen unsere Pionierarbeit gemeinsam fort. Herzlichen Dank für euer Engagement für eine Gesellschaft, die allen Perspektiven, Chancen und Hoffnungen bietet.


Martin Pfister, Vorsitzender der SP AI

29. Jan 2016