Rede von Martin Pfister, Parteipräsident SP AI an der Parteiversammlung vom 24. August 2021

Liebe Genossinnen und Genossen
Liebe Parteifreundinnen und Parteifreunde

Immer wieder öffnen sich in unserer Gesellschaft Gräben zwischen Menschen oder Menschengruppen. Aktuell spitzt sich der Impfgraben der Covid-Pandemie zwischen Geimpften und Nichtgeimpfte zu. Diese Tendenz akzentuiert sich auch im wiederholten Referendum gegen das Covid-19-Gesetz. Für die SP ist klar: In einer Krise ist eine Spaltung unserer Gesellschaft Gift. Wir stellen deshalb immer wieder die Solidarität als Grundwert ins Zentrum.

Glücklicherweise hat sich im wirtschaftlichen Bereich die Lage nach dem zweiten Lockdown entspannt. Unser konsequentes Nachhaken hat sich gelohnt. Härtefallgelder und Kurzarbeitsentschädigungen wurden mittlerweile ausbezahlt. Die Wirtschaft erholt sich wieder. Das gibt Hoffnung und Perspektiven für viele Betriebe und Arbeitnehmende. Nichts desto trotz hat diese Krise einige deutlich reicher gemacht und andere sind auf der Strecke geblieben. Wir kämpfen weiterhin dafür, dass wir diese langanhaltende Krise solidarisch meistern werden.

Liebe Genossinnen und Genossen
Momentan spielt die SVP die Landregionen, in denen sie als Partei stark vertreten ist, gegen die Städte aus, welche sie als links-grüne Fehlkonstruktionen verunglimpfen. Wir von der SP fahren einen andern – einen konstruktiveren – Kurs. Gerade auf dem Land, wo unsere Politik weniger stark Fuss fasst als in städtischen Gebieten, tragen wir zur politischen Vielfalt bei und geben den Menschen, welche unsere Haltung teilen, eine Stimme. Das ist auch in unserem Kanton Motivation für unsere politische Arbeit. Wir nehmen die Kraft dazu aus der Strömung, gegen die wir im Land am Alpstein schwimmen. Für die Zukunft ist es wichtig, dass unsere kleine noch junge Partei auf einer stabilen Basis von Mitgliedern steht. Dazu mehr an der heutigen Versammlung.

Die 99%-Initiative, zu der wir heute die Abstimmungsparole fassen, weist auf einen weiteren Graben in unserer Gesellschaft hin. Sie stoppt die ungleiche Besteuerung von Kapitaleinkommen und Arbeitseinkommen. Die Schere zwischen dem reichsten Prozent und den andern 99 Prozent wird in unserem Land immer grösser. Diese soziale Ungleichheit droht die Schweiz zu spalten und schwächt die Demokratie. Superreiche leisten sich ganze Medienkonzerne und beeinflussen so mit ihrem Lobbying die Politik. Die Konzentration des Reichtums in den Händen einiger Weniger bewirkt, dass die Kaufkraft der breiten Bevölkerung sinkt. Dies schadet vielen – vor allem kleinen – KMUs.

Die 99%-Initiative gibt dieser Spaltung der Gesellschaft ganz nach unserem Slogan «Für alle statt für wenige» entscheidend Gegensteuer. Mit einer höheren Besteuerung der Reichsten geben wir das Geld an die breite Bevölkerung – die wahren Leistungsträger unserer Gesellschaft zurück. Denn der Wohlstand in unserem Land wird nicht von den Superreichen erschaffen, die von leistungsfreien Profiten der Finanzbranche leben, sondern von jenen 99 Prozent, die täglich hart arbeiten: zum Beispiel in Büros, Supermärkten, auf dem Bau oder in Spitälern. Jene also, die auch während der Coronakrise entscheidend beigetragen haben, dass die Schweiz weiterhin funktionierte. Denn. Liebe Genossinnen und Genossen, Geld arbeitet nicht – aber Menschen schon. Diese Initiative verlangt eine Umkehr zur alten sozialdemokratischen Forderung: «Arbeit vor Kapital».

Mit der zweiten Abstimmungsvorlage, zu der wir heute die Parole fassen, können wir den Graben zwischen jenen Paaren, welche heiraten dürfen und jenen, denen dies verwehrt bleibt, schliessen. Die «Ehe für alle» macht endlich Schluss mit der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare. Sie sorgt dafür, dass auch diese Paare zivil heiraten können und gleiche Rechte und Pflichten wie Ehepaare verschiedenen Geschlechts haben.

Liebe Genossinnen und Genossen
In Afghanistan zeichnet sich eine humanitäre Katastrophe ab. Die Debatte um die Aufnahme von besonders gefährdeten Menschen aus diesem Land – Leute, die für westliche Organisationen gearbeitet haben oder Familienmitglieder von Afghaninnen und Afghanen, die bereits bei uns leben –nimmt zynische und menschenverachtende Züge an. Sie akzentuiert den Graben zwischen jenen hier drinnen und jenen da draussen und spaltet unsere Gesellschaft. Die SP hat klar Stellung bezogen und die Petition für die humanitäre Aufnahme Schutzsuchender aus Afghanistan mitlanciert.

Wir sind zu Recht stolz auf die humanitäre Tradition unseres Landes – und auf den sozialen Kompass unserer Partei. Wir können mit unseren heutigen Abstimmungsparolen deutliche Zeichen setzen und zum sozialen und gesellschaftlichen Ausgleich beitragen.

Ich freue mich auf unsere heutigen Debatten und danke euch für eure Aufmerksamkeit.

26. Aug 2021