Liebe Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
Liebe Parteifreundinnen und Parteifreunde
Liebe Gäste
Am heutigen Abend haben wir das Privileg, mit ausgewiesenen Experten über aktuelle politische Themen zu debattieren. An unserer Landsgemeindeversammlung stellt Landammann Roland Dähler die Landsgemeindegeschäfte vor. Im anschliessenden «Appenzell diskutiert» referieret der international anerkannte Migrationsforscher, Gerold Knaus, über Lösungsansätze in der europaweit festgefahrenen Migrationsdebatte.
In der Wochenzeitung vom 11. August 2011 publizierte Elmar Altvater (1938 – 2018) – ein scharfsinniger kapitalismus- und wachstumskritischer deutscher Politikwissenschafter – unter dem Titel «Warum der Wahnsinn um sich greift» einen Text, der heute – genauso wie damals – erschreckende Gültigkeit hat. Einleitend zitiert Altvater aus Karl Marx’ «Das Kapital»: «Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit oder sehr kleinem Profit. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. (…) 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuss; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert…»
Elmar Altvater beschreibt nachfolgend eine Vielfachkrise von Finanzen und Wirtschaft, von Energie und Klima, von Ernährung und Politik – eine Kaskade beginnend mit der Bankenkrise. Er geht darauf ein, wie die politische Klasse Eingriffe in die Wirtschaft scheut, wenn sie dem neoliberalen Dogma der «eigentlich» stabilen Märkte widersprechen müsste. Und er kritisiert, dass Banken und Spekulanten dank Milliarden aus den Rettungsfonds jene vor sich hertreiben, die ihnen in der Finanzkrise aus der Patsche geholfen haben.
Wie beunruhigend wenig sich doch in den gut zehn Jahren seit dem Erscheinen dieses Textes verändert hat. Dies zeigt die aktuelle Rettungsaktion der Crédit Suisse. Aus der Not heraus musste ein Plan aus dem Hut gezaubert werden, der allen Zusagen widerspricht, dass Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nie mehr für das Versagen hoch bezahlter Spitzenbanker und Spekulanten geradezustehen hätten. Schlussendlich mussten bei der Übernahme der Crédit Suisse durch die UBS mit Staatsgeldern von 259 Milliarden Franken – das heisst mit Geldern von uns Bürgerinnen und Bürgern – Garantien zugesichert werden. Es widerspricht dem Gerechtigkeitsempfinden und dem Kompass unserer Partei, dass Gewinne bei den für das CS-Debakel Verantwortlichen bleiben und gleichzeitig Verluste der breiten Bevölkerung übertragen werden. Wir setzen auf eine lückenlose Aufarbeitung dieses Desasters und erwarten, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
Geschätzte Anwesende
Auch an Europas Aussengrenzen greift der Wahnsinn weiterhin um sich. Die Flüchtlingspolitik auf unserem Kontinent ist von Gewalt geprägt. Dazu schweigen die Regierungen Europas. Auch innerhalb unseres Landes nimmt die Debatte über Flucht, Flüchtlinge und Asyl immer gehässigere Formen an. Aus unserer Sicht ist und bleibt Migration eine komplexe Aufgabe, die nur gemeinsam und besonnen gelöst werden kann. Panik schürende Rhetorik über eine unkontrollierte Massenmigration hilft in der momentan aufgeheizten Asyldebatte vor allem den Populisten. Deshalb laden wir heute Abend zu einem auf Fakten basierenden Dialog über Flucht, Flüchtlinge und Grenzkontrollen ein. Gerald Knaus zeigt Möglichkeiten für eine interessengeleitete Migrationspolitik und humane Grenzkontrollen auf.
Als Kontrast dazu wirkt die Situation in unserem Kanton geradezu beschaulich. Wir haben eine stabile, auf das Kundengeschäft fokussierte Kantonalbank. Der Asylbereich erscheint geordnet. An der Landsgemeinde stehen gerade einmal zwei Sachgeschäfte zur Abstimmung.
Doch, es lohnt sich, aufmerksam zu bleiben. Deshalb setzen wir uns heute Abend zusammen mit unserem Landammann seriös mit beiden Landsgemeindevorlagen auseinander. Künftig werden uns auch «grosse Brocken» wie das im Grossen Rat kontrovers diskutierte Tourismuskonzept, die anstehende Totalrevision der Kantonsverfassung aber auch die sich zuspitzende Situation um die Kaufkraft beschäftigen. Auch zu Fragen um Flucht, Asyl und Migration werden wir uns positionieren. Wir bleiben dran und kommen im Verlauf unserer heutigen Parteiversammlung darauf zurück.
Nun wünsche ich uns allen einen Politabend mit spannenden Debatten und danke euch für euer Erscheinen und eure Aufmerksamkeit.