Liebe Genossinnen und Genossen
Liebe Parteifreundinnen und Parteifreunde

Die heutige Parteiversammlung zeigt: Unsere Partei steht für Meinungsvielfalt und politische Alternativen. Dies haben wir letztes Jahr mit unserer Initiative «Wohnen für alle» und den Wahlen bewiesen. Dies gilt vor nationalen Abstimmungen, wo wir uns für überparteiliche Pro-Kontra-Podien stark machen. Und dies gilt ebenso bei der Initiative «Für eine starke Volksschule». Sie kommt bekanntlich trotz Rückzugsankündigung des Initianten an der diesjährigen Landsgemeinde zur Abstimmung. Es besteht die Gefahr, dass die Debatte über diese wichtige Bildungsthematik vor der Landsgemeinde einschläft. Deshalb wollen wir eine offene Diskussion führen und haben je eine Pro- und Kontravertretung eingeladen.

Genossinnen und Genossen
Die Demokratie lebt, wenn wir sie weiterentwickeln. Vorgänge an der Schulgemeindeversammlung Appenzell haben Fragen aufgeworfen. Fragen zur Versammlungsdemokratie. Fragen aber auch zu einer von uns geforderten Whistleblower-Stelle in unserem Kanton. Unsere Parteileitung ist überzeugt, dass es sich gerade auch in unserem Landsgemeindekanton lohnt, über die Demokratie nachzudenken. Deshalb schlägt die Parteileitung vor, auf den Parteitag Ende August ein Positionspapier mit unseren Positionen und Visionen zu mehr Demokratie in unserem Kanton, zu mehr Demokratie in unserem Land und auch über die Landesgrenzen hinweg auszuarbeiten.

Auch bei den mächtigen und intransparenten Finanzmärkten lohnt es sich, mehr Demokratie einzufordern. Wir wollen die breite Bevölkerung in der zweiten Jahreshälfte über diese mächtige Blackbox der Finanzwelt informieren. Grossspekulanten spielen skrupellos mit Wetten wie im Casino gegen die Ärmsten dieser Welt. Dies haben wir in der Kampagne zur Initiative gegen die Nahrungsmittelspekulation deutlich gemacht. Diese Grossspekulanten wetten auch gegen den Werkplatz Schweiz, gegen unsere KMU und gegen die Mehrheit unserer Bevölkerung. Sie investieren ihre auf den Finanzmärkten erspielten Renditen erneut in Hochrisikogeschäfte von Hedgefonds und Grossbanken – und nicht in die produzierende Wirtschaft, was volkswirtschaftlich viel sinnvoller wäre.

Mit dieser Logik gefährden sie unsere Demokratie. Denn: Wetten sie falsch, so werden sie gerettet! Grossbanken, die eine gewisse Bedeutung erreicht haben – unter dem Begriff «too big to fail» bekannt – müssen im Notfall vom Staat aufgefangen werden. Erinnern wir uns an die Finanzkrise 2008/2009 als die UBS wie im Krieg per Notrecht über die Bevölkerung hinweg mit 68 Milliarden Franken gestützt wurde. Diese Kosten tragen wir alle. Es drohen Sparprogramme und Angriffe auf unsere Renten und Sozialwerke.

Ein ähnlicher Angriff auf unsere Gesellschaft droht mit der USR 3, welche momentan im Bundesparlament beraten wird. Die SP fordert die volle Besteuerung der Aktiengewinne. Die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat steht jedoch – wenig verwunderlich – auf der Seite der Aktionäre und Grossunternehmen und entschied, nur die Hälfte der Dividenden zu besteuern, was Steuerausfälle bis zu 2 Milliarden Franken, Sparprogramme und Angriffe auf Bildung, Renten und Sozialwerke bedeutet. Ohne deutliche Korrekturen im Ständerat ergreift unsere Partei das Referendum.

Genossinnen und Genossen
Die aktuellen Recherchen zu den «Panama Papers» bieten einen erschreckenden Einblick in die Abgründe der Finanzwelt. Globale Finanzjongleure verwenden Offshore-Konstrukte, Briefkastenfirmen und Strohmänner, um illegitime Geldflüsse zu vertuschen, Steuern zu hinterziehen und Schwarzgeld zu waschen. In den nicht regulierten Hinterhöfen der Finanzwelt wird mit Skrupellosigkeit und Gier unsere Gesellschaft ausgenutzt und angegriffen. Denn, Genossinnen und Genossen, erst durch das Bezahlen von Steuern wird es uns überhaupt möglich, relativ frei und unbelastet in einem gut funktionierenden Staat mit einer gut ausgebauten Infrastruktur zu leben.

Schon aus den ersten Veröffentlichungen über diese «Panama Papers» wird deutlich: Anwaltskanzleien und private Vermögensverwalter führen jene schmutzigen Geschäfte weiter, von denen die Grossbanken neuerdings aus rechtlichen Gründen die Finger lassen müssen. Und dabei führen viele Spuren in die Schweiz. Unser Land ist der weltweit grösste Standort für private Vermögensverwaltungen. Wir tragen deshalb eine grosse Verantwortung, Geldwäscherei und Steuerhinterziehung zu unterbinden. Appenzell Innerrhoden ist bekanntlich ein Hort von Briefkastenfirmen. Darum ist nach diesen jüngsten Enthüllungen klar: Die SP AI fordert volle Transparenz und eine lückenlose Aufklärung durch die Staatsanwaltschaft, ob auch Spuren dieses Finanzskandals in unseren Kanton führen.

Liebe Genossinnen und Genossen
Meine Rede möchte ich mit zwei Lichtblicken schliessen: Es beeindruckt mich, wie in unserem Kanton die Beherbergung von neuen Flüchtlingen mitgetragen wird. Im Unterschied zu andern ländlich geprägten Regionen nimmt unsere Bevölkerung 30 weitere Flüchtlinge in den Räumlichkeiten des ehemaligen Kapuzinerklosters ohne polemisches Kesseltreiben auf. So trägt Innerrhoden die nationale Flüchtlingspolitik unserer Bundesrätin Simonetta Sommaruga mit. Dafür möchte ich danken. Diese Flüchtlingspolitik, gerät durch das Referendum der SVP, welche weiterhin lieber Probleme im Asylbereich bewirtschaftet als löst, in Gefahr. Wir haben heute mit der Parolenfassung zur Asylgesetzrevision die Chance, ein deutliches Zeichen für Lösungen zu setzen.

Der zweite Lichtblick betrifft das generationenübergreifende Projekt «Schaies», das an den diesjährigen Bezirksgemeinden zur Abstimmung kommt. Auf dem Areal «Schaies» können einerseits Sportanlagen für Junge realisiert werden. Andererseits wird dem Zweck der «Carl-Sutter-Stiftung» als Besitzerin des Bodens Rechnung getragen. Denn mit dem Erlös aus den Baurechtszinsen werden längerfristig Projekte und Einrichtungen für Seniorinnen und Senioren finanziell unterstützt. So haben wir die grosse Chance ein Projekt für Jung und Alt zu realisieren.

Diese Perspektiven machen Hoffnung und geben Mut. – Mut, um an unserer Vision einer sozialen, offenen und ökologischen Gesellschaft weiterzuarbeiten. Wir stellen uns gegen diesen sich immer deutlicher abzeichnenden Rechtsrutsch in unserem Land. Mit einer Postkartenaktion werden wir in nächster Zeit für mehr Mitglieder in unserer Kantonalpartei werben. Damit hoffen wir, unsere Politik für eine soziale, ökologische und offene Schweiz in der Innerrhoder Bevölkerung breiter abstützen zu können.

Ich danke euch für eure Unterstützung und freue mich auf unser gemeinsames politisches Schaffen – für alle statt für wenige.

Martin Pfister, Vorsitzender der SP AI

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09. Apr 2016