Liebe Genossinnen und Genossen
Liebe Parteifreundinnen und Parteifreunde
Liebe Gäste
«Mehr zu wollen, provoziert das gemütliche Mittelmass». Mit dieser Botschaft unserer Mitbegründerin Jacqueline Fehr – damals Vizepräsidentin der SP Schweiz und mittlerweile Zürcher Regierungsrätin – haben wir vor fünf Jahren hier im Centro Italiano Geschichte geschrieben: Der letzte Fleck der Schweiz wurde rot.
Mutig haben wir uns gemeinsamen auf den Weg gemacht – geleitet von der Botschaft «FÜR ALLE STATT FÜR WENIGE». Lassen wir einige Meilensteine unserer ersten, von Engagement, Widerständen aber auch von vielen bestärkenden Reaktionen geprägten Jahre Revue passieren.
2013 lancierten wir mit der Petition für einen verkehrsfreien Dorfkern Appenzell unseren ersten politischen Vorstoss. Bisher sind leider keine der Forderungen umgesetzt. Ganz im Gegenteil: Die Erhöhung der Anzahl Parkfelder auf dem sanierten Landsgemeindeplatz ist für uns ein weiteres Kapitel einer verfehlten lokalen Verkehrspolitik.
2014 dokumentierten wir während unserer Mindestlohn-Kampagne die Geschichte der Arbeiterbewegung in Appenzell mit einer Ausstellung. «Das Traurigste ist, dass die Lebensmittel gestiegen und die Löhne gleichgeblieben sind.» Dieser Satz aus einem Versammlungsprotokoll von 1938 prägte unser Ausstellungsplakat. Dieser Satz zeigt die Wichtigkeit des Kampfes einer Bewegung, die traditionsgemäss in Appenzell Innerrhoden keine gewichtige aber dennoch notwendige Rolle spielte.
An der Landsgemeinde 2015 wurde unsere Initiative «Wohnen für alle» abgelehnt. Wir haben mehr bezahlbare Wohnungen und die Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus gefordert. Wir nehmen mit Genugtuung den Baurechtsvertrag vom März dieses Jahres für kostengünstige Wohnungen an zentraler Lage auf dem Areal «Hoferbad» zur Kenntnis. Dies ist ganz im Sinne von «Wohnen für alle».
Letztes Jahr gründeten wir eine Diskussionsplattform mit dem Titel «Appenzell diskutiert». Dabei werden an drei bis vier jährlich stattfindenden Veranstaltungen Brennpunkte unserer Gesellschaft mit Fachleuten und dem Publikum diskutiert. Wir starteten mit den Finanzmärkten – ihren Funktionsstörungen und möglichen Lösungsansätzen. Dann stellten wir die Demokratie in Innerrhoden auf den Prüfstand. Und zuletzt diskutierten wir über die Integration in unserem Kanton. Das rege Publikumsinteresse bestärkt uns. Am 23. November steht das Gesundheitswesen der Zukunft zur Debatte. Dabei wird auch der umstrittene Innerrhoder Spitalneubau thematisiert.
Mit Augenzwinkern erinnern wir an Aktionen, die kontroverse Reaktionen auslösten. So auch bei der Abstimmung im Grossen Rat über eine Amtszeitbeschränkung der Standeskommission: Die Tatsache, dass die Mitglieder der Standeskommission nicht in den Ausstand traten, regte bei uns Widerstand und Kreativität zugleich. So verteilten wir dem Parlament und der Regierung Bananen mit der Aufschrift: «Mehr Demokratie – Bananenrepublik Nein».
Unser Vorgehen fordert heraus. Das ist gut so. Denn: «Mehr zu wollen, provoziert das gemütliche Mittelmass». Wir sprechen Themen offen an und versuchen, zu ändern, was uns stört.
Schauen wir auf unsere Welt: Die heutige Wirtschaftsordnung bevorzugt in beispielloser Art eine kleine Schicht der Bevölkerung – nämlich die Besitzer grosser Kapitalvermögen. Der Wahnsinn auf den intransparenten und entfesselten Finanzmärkten greift weiterhin um sich. Weltweit werden Millionen Menschen in Hunger und Armut getrieben. Schweizer Finanzakteure investieren Milliarden in Kriegsgeschäfte. Der Klimawandel führt zu Bedrohungen von Natur und Umwelt. Und Menschen auf der Flucht erinnern uns an die verbrannten Erden, auf denen unser Wohlstand gründet.
Kurt Rose ruft in einem Liedtext auf:
«Höre Land, höre Land, hört ihr Menschen weit und breit!
Es geht um der Welt Bestand – es drängt die Zeit, es drängt die Zeit.
Es geht um das Elendsvolk, das rings um die Erde schreit,
die Hoffnungslosen, die Hungerzüge, die ohne Land, die ohne Arbeit.
Es geht um Gerechtigkeit.»
Auch bei uns gibt es Verliererinnen und Verlierer von Globalisierung und Deregulierung. Viele sehen in der Digitalisierung mehr Bedrohung als Chance. Die Schere bei Lohn, Einkommen und Vermögen ist nach wie vor weit offen. Trotzdem werden seit Jahren die Besitzer grosser Kapitalvermögen auf Kosten der Menschen, die von Lohn und Arbeit leben, begünstigt. Senkungen der Unternehmensteuer, die Halbierung der Dividendensteuer und die Abschaffung der Erbschaftssteuer werden zum Geschäftsmodell. Gleichzeitig gefährden Angriffe auf unsere Sozialwerke die Solidarität in unserem Land. Und viel zu hohe Wohn- und Gesundheitskosten machen vielen Menschen Angst.
Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Gäste
Nur ein geteilter Wohlstand ist ein nachhaltiger Wohlstand. Bedürftige Menschen sind keine freien Menschen. Frei ist, wer sicheren Boden unter seinen Füssen hat und über verschiedene Handlungsoptionen verfügt. Dafür kämpfen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten mit konkreten Projekten.
«Wohnen für alle» bleibt weiterhin eine unserer zentralen Forderungen. Trotz hohem Leerwohnungsbestand sind die Wohnkosten auch in Innerrhoden zu teuer. In den letzten Jahren wurden Immobilien immer mehr von Erwerbs- zu lukrativen Ertragsanlagen. Wir unterstützen den gemeinnützigen und nicht renditeorientierten Wohnungsbau. Damit werden Boden und Wohnraum der Gewinnmaximierung entzogen. Zusätzlich lindern notwendige Verschärfungen der «Lex Koller» den Druck auf die Wohnkosten.
Auch für eine Begrenzung der dauernd steigenden Krankenkassenprämien stehen wir ein. Der Kostenwettbewerb und private Profite im Gesundheitswesen treiben diese Prämien immer unerträglicher in die Höhe. Das Kostenwachstum kann nur mit mehr öffentlicher Kontrolle und weniger teurem Wettbewerb gebremst werden.
Die SP ist die Partei der Gleichberechtigung. Wir unterstützen eine moderne und soziale Familienpolitik mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Dazu gehören die Förderung von guten und bezahlbaren Kita-Plätzen, mehr Teilzeitstellen für Männer, ein Vaterschaftsurlaub und höhere Kinderzulagen zur finanziellen Entlastungen der Familien.
Wir stehen für faire Löhne und starke Renten. Die SP kämpft für eine starke AHV, damit das Rentenniveau im Alter gesichert bleibt. Und, liebe Genossinnen und Genossen, liebe Gäste, die Lohndifferenz zwischen Mann und Frau von immer noch 7000 Franken pro Jahr lässt sich nicht rechtfertigen. Sie muss endlich ausgeglichen werden.
Wir unterstützen das Modell einer «Automatischen Mikrosteuer auf dem gesamten Zahlungsverkehr». Sie trägt zur Beruhigung der entfesselten Finanzmärkte bei. Und sie vereinfacht das bisherige bürokratische Steuersystem. Die Steuerlast wird gerechter verteilt. Dabei werden nicht der Mensch und die Arbeit, sondern in Promille-Ansätzen der gesamte Zahlungsverkehr besteuert – auch jener der mächtigen Finanzwirtschaft, der momentan von Steuern befreit ist. Die Mikrosteuer könnte stufenweise das heutige Steuer- und Abgabesystem ersetzen. Sie ist interessant für alle Privatpersonen, KMU und die real produzierende Wirtschaft.
Eine gesunde Umwelt ist unsere Lebensgrundlage, zu der wir auch für kommende Generationen Sorge tragen müssen. Deshalb unterstützen wir vorbehaltlos eine erneuerbare Energiezukunft mit dem verbindlichen Atomausstieg. Der Umstieg auf erneuerbare Energien schont nicht nur Umwelt und Klima, sondern schafft auch neue und innovative Jobs für unsere KMU. Mit Investitionen in einheimische Energie bleibt die Wertschöpfung in unserem Land.
Wir setzen uns in unserem Kanton für die Einführung des Proporzwahlverfahrens bei Grossratswahlen ein. Proporz bedeutet mehr Gerechtigkeit bei Wahlen und eine Stärkung der politischen Vielfalt.
Aktuell steht mit der Altersvorsorge 2020 unser Kampf für gesicherte Renten und eine starke AHV im Vordergrund. Die AHV – liebe Genossinnen und Genossen, liebe Gäste – ist unser wichtigstes Sozialwerk und das Herzstück der solidarischen Schweiz. Sie sorgt für einen Ausgleich zwischen Arm und Reich und zwischen Jung und Alt.
Zu dieser Solidarität rufen wir auf! «MITENAND z APPEZÖLL» ist morgen Samstag das Motto unseres öffentlichen Begegnungsfestes für ein gemeinsames Appenzell über kulturelle und parteipolitische Grenzen hinweg. Es freut uns, dass wir euch, liebe Gäste, bei uns begrüssen dürfen. So setzen wir bereits heute Abend miteinander ein Zeichen für ein gemeinsames Appenzell.
«MITENAND z APPEZÖLL» steht auch für unsere politische Arbeit. Wir gehen weiterhin offen über Parteigrenzen hinweg auf Menschen zu. Wir wollen wissen, wo der Schuh drückt. Uns braucht es auch in unserem ländlichen Kanton. Denn wir sind überzeugt: Politische Vielfalt und die Beteiligung möglichst vieler trägt zu besseren Lösungen unserer gesellschaftlichen Herausforderungen bei.
Wir werden uns auch künftig mit klaren Stellungnahmen positionieren und engagieren – nach dem Grundsatz: «Mehr zu wollen, provoziert das gemütliche Mittelmass». Und wir wollen mehr – liebe Genossinnen und Genossen, liebe Gäste. Wir wollen mehr Gerechtigkeit, mehr Solidarität, mehr Ökologie, mehr Demokratie und Freiheit. Wir wollen Wahlen und Abstimmungen und mehr Menschen für unsere Politik gewinnen.
«Unsere Energie nehmen wir aus dem Strom, gegen den wir schwimmen» – ein Zitat von Helmut Hubacher, dem langjährigen SP-Präsident und Nationalrat. Es ehrt uns, dass er als Doyen der Partei heute Abend bei der jüngsten Kantonalsektion die Festrede hält. Auch ein Beispiel gelebter Solidarität zwischen Generationen.
Wir nehmen ebenfalls Energie aus der Verbundenheit mit der SP Schweiz. Schön, dass Genossinnen und Genossen von nah und fern mit uns feiern. Zusammen sind wir stark. Gemeinsam unternehmen wir alles für ein «doppeltes Ja» zur Altersvorsorge 2020. Gemeinsam haben wir gegen die überladene Unternehmenssteuerreform III und für die Energiestrategie 2050 gekämpft – mit Abstimmungserfolgen auch in Appenzell Innerhoden. Diese Resultate ermutigen uns. Die Schweiz kann mehr. Wenn es unserem Land gut geht, geht es auch unserem Kanton gut.
Ein grosser Dank gebührt euch: Parteimitglieder, Sympathisantinnen und Sympathisanten und alle Unterstützerinnen und Unterstützer bei Wahlen und Abstimmungen. Ihr habt beigetragen, dass der letzte weisse Fleck der Schweiz seit fünf Jahren rot ist. Ihr habt es möglich gemacht, dass unsere Partei im politisch steinigen Land am Alpstein Fuss fasst.
Unser Weg ist auch immer wieder geprägt von offen bleibenden Fragen und nicht planbaren Wendungen. Eine grosse Herausforderung bleibt die Stärkung unserer Basis. Wir laden alle ein – als Partei der Gleichberechtigung besonders auch Frauen, Migrantinnen und Migranten: Sönd wöllkomm! Zusammen stehen wir für eine soziale, gerechte, ökologische und offene Schweiz – eine Schweiz für alle statt für wenige.
Ja, liebe Genossinnen und Genossen, liebe Gäste
Unsere kleine Partei lebt – die Partei der Rose lebt. Gemeinsam bleiben wir dran – ganz im Sinne von Bertold Brecht: «Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.»
Wir rufen auf zur Solidarität: morgen mit unserem Fest «MITENAND z APPEZÖLL», am 24. September mit einem doppelten «Ja» zur Verteidigung unserer Renten und künftig mit unserer Politik für alle statt für wenige.
Vielen Dank!