Diese Abstimmungsvorlage betrifft sensible ethische-moralische Fragen zur Menschenwürde eines werdenden Kindes und deren Eltern bei möglichen schweren Erbkrankheiten. Der neue Verfassungsartikel erlaubt, nicht wie bisher nur so viele menschliche Eizellen ausserhalb des Körpers einer Frau zu Embryonen zu entwickeln, als ihr sofort eingepflanzt werden können, sondern so viele, wie für die medizinisch unterstütze Fortpflanzung notwendig sind. Damit wird auch in unserem Land die so genannte Präimplantationsdiagnostik (PID) erlaubt, welche bereits in vielen europäischen Ländern zulässig ist. So könnten wenige Tage alte Embryonen auf Erkrankungen getestet werden, noch bevor sie in die Gebärmutter eingepflanzt werden.
Mittlerweile werden in unserem Land mehr als zwei Prozent der Kinder durch künstliche Befruchtung gezeugt. Zudem akzeptieren wir mit der Fristenregelung den Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten zwölf Wochen. Wir lassen bereits heute vorgeburtliche Tests unter bestimmten Bedingungen zu und akzeptieren, dass positive Krankheitsbefunde zur Beendigung einer Schwangerschaft führen können. Deshalb ist es widersprüchlich, die Verlagerung solcher Tests vor der Herbeiführung einer Schwangerschaft zu untersagen. Bei einer Ablehnung dieses Verfassungsartikels provozieren wir, dass Eltern ins benachbarte Ausland ausweichen, um diese Behandlung durchzuführen.
Designer-Babys und Menschenzucht stehen im neuen Verfassungsartikel nicht zur Debatte. Es geht vielmehr darum, absehbares Leid im Falle schwerer Erbkrankheiten zu vermeiden. Die neue Verfassungsbestimmungen versucht, dem Schutz der Menschenwürde des werdenden Kindes aber auch des Elternpaares Rechnung zu tragen. Deshalb sagt die SP AI «Ja» zu dieser massvollen rechtlichen Zulassung der Fortpflanzungsmedizin.
Zum Schluss noch dies: Gleichzeitig mit diesem Verfassungsartikel hat das Parlament ein neues Fortpflanzungsgesetz verabschiedet, das mit einem Ja am 14, Juni ebenfalls in Kraft treten würde. Dieses Gesetz sieht sehr umstrittene Massnahmen zu Chromosomen-Untersuchungen bei unfruchtbaren oder erblich belasteten Paaren vor. Bei einer Annahme des Verfassungsartikels zur Fortpflanzungsmedizin kann gegen diese Gesetzesvorlage das Referendum ergriffen werden. Damit besteht die Möglichkeit, in einer späteren eidgenössischen Abstimmung darüber zu entscheiden.