Sehr geehrter Herr Nationalrat Fässler
Trotz Kriegen und humanitären Krisen haben Sie letzte Woche zusammen mit der rechten Mehrheit des Nationalrats der Kürzung der finanziellen Mittel für Entwicklungszusammenarbeit um 130 Millionen Franken zugestimmt. Vor den diesjährigen Nationalratswahlen haben Sie allerdings in mehreren öffentlichen Stellungnahmen angesichts der globalen Flüchtlingskrise die Wichtigkeit der Hilfe vor Ort betont. Wir erlauben uns, Ihre Aussage im Appenzeller Volksfreund vom 3. Oktober 2015 zu zitieren. Auf die Frage, wie sich die Schweiz beim aktuellen Zustrom von Flüchtlingen verhalten soll und was die EU und die Weltgemeinschaft leisten sollen, haben Sie folgendes geantwortet: «Wir erleben derzeit eine gewaltige humanitäre und politische Krise, die international anzugehen ist. Die Schweiz kann das Problem nicht lösen, auch nicht mit Abschottung. In Respektierung unserer humanitären Tradition ist vielmehr eine enge Zusammenarbeit mit den übrigen Staaten Europas nötig. Die Ursachen des Flüchtlingszustroms kann, wenn überhaupt, nur die Weltgemeinschaft als Ganzes bekämpfen. Es muss versucht werden, die unzähligen Konflikte früher einzudämmen, den Flüchtlingen in der Nähe ihrer Heimat einen sicheren Aufenthalt zu gewähren und eine baldige Rückkehr zu ermöglichen. Dazu ist Kooperation und effiziente Hilfe vor Ort nötig. Die Schweiz muss zusammen mit den EU-/EFTA-Staaten mithelfen, das Dublin-System zu erneuern und die Attraktivität zu reduzieren. Dies ist aktuell die schwierigste Aufgabe. Gelingt dies nicht, werden wir noch lange unsägliche Bilder zu sehen bekommen und Hoffnungen schüren, die bei den Asylsuchenden zu Frustration und auch in Europa zu Konflikten führen.»
Doch bei erstbester Gelegenheit verweigern Sie das dafür nötige Geld. Eine solche Politik ist kurzsichtig, unaufrichtig und nicht mit unserer humanitären Tradition vereinbar. Ihre Politik hat auch wenig mit den christlichen Werten zu tun, die Ihre Partei zu vertreten vorgibt. Der St. Galler Bischof Büchel äusserte sich in einem Interview in der aktuellen Ausgabe der «Schweiz am Sonntag» zur Flüchtlingskrise: «Wir sind so reich, dass wir mehr tun könnten.» Es habe ihm wehgetan, als er aus den parlamentarischen Debatten erfuhr, dass die Entwicklungshilfe abgebaut werden soll. Denn: «Das Elend im Vorderen Orient und in Afrika haben wir mit unserem Reichtum mitverschuldet.»
Wir sind allerdings über Ihre Haltung nicht erstaunt. Denn Sie befürworten ebenfalls den Export von Schweizer Kriegsmaterial. Diese Rüstungsgüter werden auch in den Nahen Osten und in Risikostaaten wie Saudi-Arabien geliefert und heizen den Krieg in einer der explosivsten Regionen unserer Welt an. Zudem haben Sie im Nationalrat gegen die Initiative gestimmt, welche die Spekulation mit Nahrungsmitteln verbieten will. Somit unterstützen Sie eine der widerlichsten Formen von Profitmacherei auf Kosten der Ärmsten und machen sich mitschuldig am Hunger auf unserer Welt.
Wir erinnern Sie bei den aktuellen humanitären Krisen daran: Wer Waffen und Armut sät, wird Flüchtlinge ernten. Mit der Kürzung von Geldern für die Entwicklungszusammenarbeit, die so dringend gebraucht werden wie selten zuvor, fordern Sie den Widerspruch unseres Gewissens. Wir bleiben dran und wünschen Ihnen eine besinnliche Adventszeit.
Sozialdemokratische Partei Appenzell Innerrhoden (SP AI)