Ina Praetorius (Referentin) und Daniela Mittelholzer (Diskussionsleiterin) im Gespräch
Frau Praetorius führte aus, dass die Wirtschaftslehre untersucht, wie die Mittel zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse am sinnvollsten hergestellt, verteilt und gebraucht werden. Trotzdem wird Wirtschaft hauptsächlich mit Geld, Märkten und Rendite, jedoch kaum mit fürsorglicher Arbeit wie begleiten von Kindern in ihrem Aufwachsen, waschen, putzen, kochen oder aufräumen in Zusammenhang gebracht.
2/3 der unbezahlten Arbeit wird von Frauen und 2/3 der Lohnarbeit von Männern erledigt. Hier einige Zahlen des Bundesamts für Statistik: 2013 wurden in der Schweiz insgesamt 8,7 Milliarden Stunden unbezahlt gearbeitet. Dafür wurde14 Prozent mehr Zeit aufgewendet als für die bezahlte Arbeit. ¾ der unbezahlten Arbeitsstunden entfallen auf Hausarbeit. Fürsorge wird oft an Frauen und «nach unten» delegiert. Sie erledigen den Hauptanteil an Care-Tätigkeit. Praetorius folgert: «Gemessen an ihrem tatsächlichen Arbeitsaufwand müssten Frauen weit mehr verdienen als Männer. Ökonomen nehmen ihre eigenen Definitionen nicht ernst. Sie behaupten zwar, ihr Kerngeschäft sei die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Doch sie setzen Ökonomie mit Geldwirtschaft gleich und übergehen den grössten Wirtschaftssektor: die unbezahlte Arbeit.»
Die Referentin fordert mit ihren Ausführungen einen Paradigmawechsel – weg von der Geld-Zentrierung hin zur Care-Zentrierung. Sie stellt die fürsorgliche Arbeit ins Zentrum und folgert: «Care ist das Fundament unserer Gesellschaft. Denn ohne Care gibt es keine Menschen und ohne Menschen braucht es keine Wirtschaft». Darüber diskutierte das interessierten Publikum angeregt. Patentrezepte gibt es keine. Wichtig ist die grundlegende Auseinandersetzung mit dieser Thematik und das Wiedererkennen des Selbstverständlichen: Wirtschaft bedeutet mehr als Markt und Geld. Wirtschaft umfasst die Theorie und Praxis der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse.